
Wer War Karl Stockmeyer
Zur Zeit der Waldorfschulgründung war neben Emil Molt und Rudolf Steiner auch der Schulverwalter E. A. Karl Stockmeyer essenziell. Der 33-jährige Naturwissenschaftler brachte sich intensiv in bildungspolitische Fragen ein und entwickelte aus Steiners Werk „Philosophie der Freiheit“ neue Ideen für das deutsche Bildungswesen. Auf Bitte Emil Molts unterstützte er die Gründung der freien Schule in Stuttgart.
Zunächst als Berater aktiv, wurde Stockmeyer nach einer Intervention Steiners auch Lehrer, wobei er sich vom Staatsdienst beurlauben ließ. Er arbeitete eng mit Steiner an einem innovativen Lehrplan und löste sich von klassischen Konzepten. Zudem organisierte er das Kollegium und suchte die passenden Lehrer. 1919 zog er nach Stuttgart, um zahlreiche organisatorische Aufgaben zu übernehmen, darunter die Einrichtung des Schulgebäudes, Stundenplanung, Konferenzen und Behördenkommunikation.
Im Unterricht widmete sich Stockmeyer vor allem den naturwissenschaftlichen Fächern der oberen Klassen. Er brachte praxisnahe Themen wie Feldmessen in den Lehrplan ein und fungierte als Bindeglied zwischen Steiner und dem Kollegium. Seine ruhige und bedachte Haltung beeindruckte viele. Obwohl Steiner wünschte, dass Stockmeyer promoviert, war dies wegen seiner Arbeitslast nicht möglich. Er stellte seine wissenschaftlichen Interessen zugunsten der Schulorganisation zurück und schrieb unermüdlich Bittbriefe, um die Schule während der wirtschaftlich schwierigen Jahre 1922/23 zu finanzieren.
Stockmeyer blieb der Schule bis zu ihrer Schließung 1938 treu und begleitete die Auflösung besonnen. In einem Bewerbungsschreiben 1940 hob er die unersetzlichen Erfahrungen hervor, die er in der Waldorfschule gesammelt hatte. Ein NSDAP-Gutachten bezeichnete ihn jedoch als „fanatischen Anthroposophen“, der sich gegen den Nationalsozialismus stellte. Dennoch erhielt er eine Lehrerstelle in Königsfeld, musste aber die Beschlagnahmung seiner anthroposophischen Bibliothek durch die Gestapo hinnehmen. Nach 1945 half er, die erste Waldorfschule in Freiburg zu gründen.
Bis zu seinem Tod 1963 lebte er zurückgezogen in Malsch und widmete sich erkenntnistheoretischen und pädagogischen Fragen. Sein Beitrag zur Waldorfpädagogik bleibt bis heute unschätzbar.